Die heutige mikrobiologische Routineanalyse von Trinkwasser basiert auf dem Aufwachsen von anwesenden Keimen zu sichtbaren Kolonien auf Nährstoffplatten – eine Methode, die nun seit mehr als 100 Jahren weltweit angewendet wird. Dieses Verfahren ist aber zeitaufwendig: eine mikrobiologische Kontamination im Trinkwasser ist in der Regel erst nach 3 Tagen nachweisbar. Falls Wasser zusätzlich auf die Anwesenheit spezifischer Krankheitserreger getestet werden soll, wie z.B. Legionellen, so kann dies mehrere Tage bis Wochen dauern. Ein weiterer Nachteil dieser Methode besteht darin, dass nur ein kleiner Teil (schätzungsweise 0.1-1%) der allgemein in Umweltproben vorhandenen Mikroorganismen auf den verwendeten Nährstoffplatten aufwachsen kann.
Eine schnellere und umfassendere Analyse des mikrobiologischen Zustandes von Wasserressourcen und des Trinkwassers braucht neue Methoden. Eine Technik, deren Potenzial in den letzten Jahren in der Arbeitsgruppe von Prof. Thomas Egli in Zusammenarbeit mit Dr. Frederik Hammes (Trinkwassermikrobiologie und Ökophysiologie) ausgelotet wurde, ist die Durchflusszytometrie (FCM, Flow Cytometry). Diese Technik wird seit mehr als 20 Jahren in der medizinischen Routineanalytik eingesetzt und findet nun langsam den Einzug in die Qualitätskontrolle von Wasserressourcen als potentielle Alternative zu bestehenden Verfahren.

Prinzip und Anwendungsmöglichkeiten der Durchflusszytometrie in der Trinkwasseranalytik

Das Prinzip der Methode ist einfach: Eine Wasserprobe wird nach Anfärben der darin enthaltenen Bakterien mit fluoreszierenden Farbstoffen durch eine Glaskapillare geschleust, dabei werden einzelne Bakterien mittels eines Laserstrahls detektiert. Mit dieser Methode ist die Bestimmung der Gesamtzellzahl suspendierter Bakterien in nur 15 Minuten möglich. Neben der Gesamtzellzahl lassen sich durch FCM Bakterienpopulationen mit unterschiedlicher Zellgrösse bestimmen. Damit lassen sich „Fingerabdrücke“ von Wasserproben erstellen, die zur schnellen Erkennung von Veränderungen oder Störungen bei der Trinkwasseraufbereitung und –verteilung herangezogen werden können. Mit dem Einsatz von speziellen Farbstoffen können sogar intakte, lebensfähige Zellen von toten Zellen unterschieden werden und mit dem Einsatz von Antikörpern können einzelne pathogene Organismen nachgewiesen werden.

Ein Umdenken ist gefordert

Typische Werte für Gesamtzellzahlen, die mit FCM ermittelt werden, sind wenige Tausend Zellen pro Milliliter in einem guten Grundwasser und bis zu mehreren Millionen Zellen pro Milliliter in Oberflächenwasser. Hygienisch sauberes Hahnenwasser und Mineralwässer enthalten in der Regel 10´000 bis ca. 200´000 Bakterien pro Milliliter (siehe Abbildung). Angesichts der heutigen schweizerischen Hygienevorschriften, die im Trinkwasser weniger als 300 koloniebildende Einheiten aerober, mesophiler Keime (solche, die auf Nährstoffplatten zu Kolonien aufwachsen) pro Milliliter vorschreiben, fordern die mit FCM gemessenen Zellzahlen ein Umdenken bei der mikrobiologischen Beurteilung des Trinkwassers. Auch bezüglich der Wahrnehmung der Bevölkerung hinsichtlich der Präsenz von natürlich vorkommenden Keimen im Trinkwasser muss ein Umdenken stattfinden. Im Trinkwasser tragen natürlich vorkommende Bakterien mit ihrer Fähigkeit kleinste Mengen an Nährstoffen zu verwerten, dazu bei, dass bekannte Krankheitserreger von Cholera, Typhus oder Ruhr nur schlechte Wachstumsbedingungen vorfinden und deshalb schlecht überleben können.

Abbildung: Bereiche der Gesamtzellzahlen suspendierter Bakterien, wie sie üblicherweise mit Hilfe der Durchflusszytometrie detektiert werden. 
Aus GWA 4/2010, Neue Methoden für die Trinkwasseranalytik

Kontakt

Gegenwärtige Projekte

Während die Qualität des Trinkwassers vom Wasserversorger über weite Strecken im Verteilnetz überwacht wird, endet die Verantwortung des Wasserversorgers an der Wasseruhr der Liegenschaft, wo sie an den Eigentümer übergeht. Wenn das Trinkwasser an diesem Punkt angekommen ist, können Hausinstallationen zu einem Problem werden. Ungeeignete Kunststoffe für Rohrleitungs- und Dichtungsmaterialien können in Kombination mit geringen Rohrdurchmessern, längeren Stagnationszeiten und höheren Temperaturen die biologische Stabilität des Trinkwassers erheblich stören und neben einer chemischen Belastung auch zu einer übermässigen Verkeimung führen. So kann z.B. bereits ein einzelner ungeeigneter Dichtungsring die Trinkwasserqualität in einen Abschnitt der Hausinstallation stark beeinträchtigen.

Methodenpaket "BioMig"

Um den Einfluss von Kunststoffen auf die Trinkwassermikrobiologie besser und schneller erfassen zu können, wurde an der Eawag ein Methodenpaket namens „BioMig“ entwickelt. „BioMig“ basiert auf bereits existierenden Prüfverfahren, zur Ermittlung des Migrations- (Herauslösen von chemischen Verbindungen aus Kunstoffen) und Biomasseproduktionspotentials (Biofilmbildung) von Kunststoffen in Kontakt mit Trinkwasser. Durch neue Erkenntnisse und Analyseverfahren im Bereich der Trinkwassermikrobiologie war es möglich, die bereits existierenden Prüfverfahren zu optimieren und zu kombinieren. „BioMig“ erlaubt es, einfacher als bisher einen Kunststoff innerhalb von zwei Wochen methodisch einheitlich, quantitativ und qualitativ reproduzierbar auf seinen mikrobiologischen und chemischen Einfluss auf die Wasserqualität hin zu prüfen. Gegenwärtig wird an der Eawag evaluiert, ob eine Standardisierung dieser Methodenkombination auf europäischer Ebene möglich ist.